27. Oktober 2022
Connext hilft Pflegenden dabei, die Beatmung von Patienten zu verbessern
Im Herzen Münchens liegt das Haus AtemReich, eine außerklinische Intensivstation, in der 120 Pflegende, Pädagogen und Therapeuten 18 Kinder betreuen, die auf eine 24h-Beatmung angewiesen sind. Um die Betreuungsqualität zu verbessern, hat sich Geschäftsführerin Felicitas Hanne im Jahr 2018 zur Digitalisierung der Einrichtung entschieden. Sie nahm am Microsoft-Hackathon teil, bei dem soziale Einrichtungen ihre individuellen Herausforderungen gemeinsam mit dem Microsoft-Team lösen konnten. Für das Haus AtemReich wurde eine Digitalstrategie erarbeitet, um eine Pflegedokumentationssoftware einzuführen und mit den vorhandenen Beatmungsgeräten und -monitoren sowie allen weiteren Systemen zur Überwachung der Beatmung zu vernetzen. Anschließend sollten die erhobenen Dokumentationsdaten mithilfe Künstlicher Intelligenz ausgewertet werden. Das Team entschied sich für Vivendi, die Software für das Sozialwesen aus Paderborn. Denn sie ermöglicht es Geräten und Sensoren an das Internet der Dinge anzubinden und die erhobenen Daten der einzelnen Systeme zusammenführen und auswerten.
Ein Mikrogramm zu viel – Datenanalyse zeigt unerwartete Korrelation
Nach der Vernetzung passierte erst einmal – nichts. Die Systeme taten ihren Dienst und nahmen alle Parameter auf, die in der digitalen Akte zusammenliefen. Alle Mitarbeitenden der unterschiedlichen Fachbereiche dokumentierten ihre Tätigkeiten und Beobachtungen einheitlich und zentral. Dann, nach einer Weile, stand eine Datenmenge bereit, die sich für eine Analyse eignete. Felicitas Hanne sah sich die Daten eines Kindes an, das über einen langen Zeitraum hinweg unter starken Aggressionsschüben litt, sich aber nicht artikulieren konnte. Besonders interessierten sie die Daten zur Medikamentengabe und die Vitalwerte zum Zeitpunkt eines Aggressionsschubs. Dabei fiel ihr eine mögliche Verbindung auf: »Vielleicht könnte der Schub mit den Medikamenten zusammenhängen und ich bat den Arzt, dem auf den Grund zu gehen«, berichtet Hanne. Da das Medikament allerdings nur ein Mikrogramm von der Dosierung abwich, sah der Arzt keinen Anlass für eine Veränderung der Medikation. Hanne blieb beharrlich und bestand darauf, den Fall genauer zu untersuchen. Und tatsächlich. Als das Team die Medikation um ein Mikrogramm absenkte, waren die Aggressionsschübe verschwunden.
Eine gute Datenlage stärkt die Fachlichkeit der Pflege
Der Künstlichen Intelligenz sei Dank? Nicht unbedingt. »Es ist nämlich ein Irrtum zu glauben, dass KI für uns denkt, nein, eigentlich fordert sie uns dazu auf, noch mehr zu denken«, erklärt Hanne. Daten, Fakten und Werte wollen interpretiert und in den Kontext gerückt werden, was den Pflegeberuf in Zukunft weiter verändern und aufwerten wird. Pflege wird maßgeblich auf eine breite Datenbasis angewiesen sein, um die Betreuung weiter zu verbessern. Deshalb sorgte das Digitalisierungsprojekt auch dafür, dass neue Funktionen in die Pflegesoftware Einzug nahmen, die speziell an die Bedürfnisse von Beatmungspatienten angepasst sind.
Beatmungsmonitoring und Protokolle ermöglichen bessere Entscheidungen
Mit der Umsetzung des Beatmungsmonitorings sind zahlreiche neue Features in die Pflegedokumentationssoftware eingeflossen, die es ermöglichen, Daten smart zu ermitteln, zu teilen und Fehler in der Dokumentation zu vermeiden. Protokolle ermöglichen nun die individuelle Beobachtung von Krankheitsverläufen, sodass schneller auf Veränderungen reagiert werden kann. Mit der Vernetzung zwischen Dräger und Vivendi lassen sich Vitaldaten direkt übernehmen, wodurch die Reanimationsquote verringert werden konnte. Das geht, weil Pflegende schneller auf veränderte Vitalzeichen reagieren können und sich die Werte besser in Bezug zu anderen Ereignissen setzen lassen. Auch alle anderen Vivendi-Nutzer können nun die Tools zur Beobachtung von Maßnahmenwirkung und Selbsteinschätzung für sich nutzen. Neben der Intensivpflege werden diese sicher auch ihren Weg in die Eingliederungshilfe finden.
Digitalisierung über Unternehmensgrenzen hinweg
Eigentlich war das Projekt mit Microsoft, Dräger, Connext Vivendi und weiteren Partnern auf fünf Jahre angelegt. Doch mit dem Elan von Geschäftsführerin Felicitas Hanne war es bereits nach vier Jahren abgeschlossen. Ein echtes Erfolgsprojekt, in dem Mobilität, Assistenz, Services, Vernetzung und Kooperation gedacht, gelebt und umgesetzt wurden. »Wenn verschiedene Unternehmen gemeinsam an einem Projekt arbeiten, lassen sie sich ungern in die Karten blicken. Das war in diesem Projekt aber ganz anders. Jetzt können wir aus verschiedenen Daten lernen, Muster erkennen und dadurch das Leben unserer Kinder verbessern«, sagt Hanne.