28. Juni 2023

Graffiti-Kunst auf Paderborner Klostermauern

Graffitis sind Teil der urbanen Kultur. In Paderborn hat die Stadt mit Freiflächen im Zentrum die Sprüher-Szene aus der Illegalität in die Gesellschaftsmitte geholt. Heute bilden die aufwendig bemalten und teils riesigen Fassaden einen spannenden Kontrast im Paderborner Stadtbild, das gleichzeitig von den vielen katholischen Bauten geprägt ist.

Katharina Mock hatte keine Lust mehr auf die unschöne graue Mauer ihres Klosters. Die Generaloberin der Barmherzigen Schwestern vom hl. Vincenz von Paul zu Paderborn lädt daher seit 2018 Graffiti-Künstlerinnen und -künstler aus der Region ein, die etwa 70 Meter lange Klostermauer zu bemalen. Seitdem dürfen Künstlerinnen und Künstler regelmäßig an der Mauer ihrer Kreativität freien Lauf lassen. Die Klostermauer ist eine Station der seit 2018 – durch die hohe Nachfrage mittlerweile wöchentlich – stattfindenden Graffiti-Tour durch die Innenstadt Paderborns.

Auf dem Rundgang erklärt Graffiti-Experte Sven Niemann die Stilrichtungen, Historie sowie Künstlerinnen und Künstler. „Vom Kindergeburtstag bis zum Bankenmanager haben wir ein komplett durchmischtes Publikum“, sagt Niemann. „Viele kommen mittlerweile einmal im Jahr, um die neuen Motive zu sehen.“

„Paderborn hat sich als Graffiti-Stadt einen Namen gemacht“

Der Siegeszug der Graffitis im Paderborner Stadtbild begann 2012. Die St. Michael Schule stellte große Flächen für die Sprüherinnen und Sprüher im zentral gelegenen Paderquellgebiet zur Verfügung. Durch den hochfrequentierten Ort kamen Künstlerinnen, Künstler und Bürgerinnen und Bürger zusammen. Daraus entstanden private wie kommerzielle Aufträge. Heute lassen sich die riesigen Bilder, Murals genannt, an Krankenhäusern, Unternehmen, privaten Häusern und der Universität bestaunen. Im August 2021 errichtete die Stadt in Kooperation mit den Paderborner Kreaturen e.V. und Peters Art & Concept sogar den „Graffitistern“ – eine Installation in Y-Form und sechs großen Flächen –, um zentral weitere Möglichkeiten für die Künstlerinnen und Künstler zu schaffen.

„Paderborn hat sich als Graffiti-Stadt einen Namen gemacht“, sagt Niemann, der an der Paderborner Universität das deutschlandweit einzigartige Projekt INGRID, kurz für Informationssystem Graffiti in Deutschland, mitgestaltet. In der Datenbank wurden seit 2016 über 150.000 Bilder für die Forschung über Graffiti digitalisiert und systematisch verschlagwortet.

Graffiti als Tourismus-Magnet

Bei der Motivwahl kommen die Paderborner Künstlerinnen und Künstler der Stadtgesellschaft entgegen, erklärt Niemann: „Gerade zu Beginn integrierten die Sprüherinnen und Sprüher lokal bekannte Sehenswürdigkeiten wie das Dreihasenfenster oder den Dom in ihre Bilder. Das hat nach anfänglicher Skepsis zur Akzeptanz beigetragen.“ Heute ziehen die farbenprächtigen Werke Touristinnen und Touristen in die Ostwestfälische Stadt.

Neben den bunten Bildern prägen die vielen katholischen Kirchen, Kapellen und Klöster das Paderborns Stadtbild – allen voran der romanisch-gotische Dom mit seinem 93 Meter hohen Turm. In ihm finden seit 2016 regelmäßig popkulturelle Veranstaltungen statt wie Konzerte und Poetry Slam. Der Poetry Slam hat mit dem „Lektora“ seinen eigenen Verlag in Paderborn, der als Knotenpunkt der ostwestfälischen Szene gilt.

Kreativquartier auf ehemaliger Kasernenfläche

Insgesamt arbeiten über 6.200 Beschäftigte in Paderborn in der Kultur- und Kreativwirtschaft. Der Anteil an der Gesamtbeschäftigung ist mit 4,38 Prozent hoch. Im NRW-Vergleich liegen nur die deutlich größeren Städte Köln, Bonn, Düsseldorf und Aachen vor der ostwestfälischen Stadt. Mit rund 8.300 Studierenden in der kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Paderborn ist auch bereits für Nachwuchs gesorgt.

Da passt es, dass auf einer 18 Hektar großen, ehemaligen britischen Kasernenfläche ein neues Kreativquartier entsteht. Hier sollen schon bald in der ehemaligen Hauptwache und den vormaligen Mannschaftsunterkünften kreative Gestaltungsräume wie Ateliers und Werkstätten entstehen. Die denkmalgeschützten Militärgebäude werden vorerst aber nicht mit der Sprühdose verschönert.

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